Schulden lösen sich nicht auf
Im ersten Quartal sind die Insolvenzen in der Baubranche gesunken. Wie beurteilen Sie generell die Situation der Branche in Österreich? Ricardo-José Vybiral: Die Insolvenzen waren allgemein rückläufig, die Baubranche ist da durchaus im Trend. Sie kämpft allerdings nach wie vor gegen ein schlechtes Image, das auf die große Anzahl an Mängelrügen und Rechnungsabstriche sowie die generell sehr komplexe Materie "Bau" zurückzuführen ist. Immerhin: Jedes Bauwerk stellt eine Maßanfertigung dar und dies unter extremem Kostendruck. Auch die regelmäßig an den Billigstbieter erfolgenden Zuschläge gestatten der Branche nur wenig "Ärmelweite". Doch auch das Bestbieterprinzip, also die Berücksichtigung von wichtigen Soft-Facts, schafft eigene Probleme, da diese sauber bewertet werden müssen. Es bleibt auch abzuwarten, wie sich die geplanten Maßnahmen vom verlängerten Handwerkerbonus bis zur Investitionszuwachsprämie auswirken werden.
Zuletzt hat sich der KSV1870 intensiv zu den geplanten Reformen im Privatkonkurs zu Wort gemeldet. Was genau kritisieren Sie daran? Vybiral: Sollten die Pläne wie angekündigt umgesetzt werden, nämlich dass die Mindestquote von 10 Prozent wegfällt und die Laufzeit des Abschöpfungsverfahrens von sieben auf drei Jahre verkürzt wird, ist das nicht nur für die betroffenen Gläubiger mit weiteren Nachteilen verbunden. Es werden auch vermehrt die guten Zahler zur Kasse gebeten werden, indem Kosten angepasst bzw. Kredite verteuert werden. Das Schuldenmachen und leider auch der Missbrauch werden begünstigt und der Trend weg von jeglicher Eigenverantwortung verstärkt. Es ist gut, wenn die Entschuldung für Unternehmer, die einmal redlich gescheitert sind, erleichtert wird. Bei Konsumschuldnern lehnen wir weitere Erleichterungen auf Kosten der Allgemeinheit jedoch ab.
Welche Folgen befürchten Sie, wenn die Reform in der ursprünglich geplanten Form kommt? Vybiral: Es ist klar, dass sich Schulden nicht in Luft auflösen, sondern dass sie - wenn der ursprüngliche Verursacher nicht zahlt - von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Oder der Unternehmer, der auf offene Rechnung geliefert bzw. Leistung erbracht hat, muss darauf verzichten. Doch auch diese unbesicherten Gläubiger müssen ihre Schulden begleichen und ihre Mitarbeiter bezahlen. Wir werden weiter alles daran setzen, diese Benachteiligung zu verhindern. Gleichzeitig empfehlen wir, sich in Zukunft noch konsequenter vor Geschäftsabschluss über die Bonität von Kunden zu informieren. Das ist auch bei Privatpersonen möglich: Der KSV1870 RiskIndicator gibt bei 7,5 Millionen Personen in Österreich sehr genau Aufschluss darüber, wie groß die Gefahr eines Ausfalles ist.
Danke für das Gespräch.
Zur Person
Ricardo-José Vybiral ist seit Kurzem der neue Vorstand des Kreditschutzverbands KSV1870, seit Herbst auch der Geschäftsführer. Vybiral war zuvor zehn Jahre lang beim Marketing- und Beratungsunternehmen Wunderman Gruppe in Deutschland als CEO tätig. Ausschlaggebend für die Übernahme einer Führungsrolle beim österreichischen Gläubigerschützer war für ihn, dass er seine Management-Erfahrung, seine strategische Kompetenz und seine Affinität zu digitalen Technologien außerhalb der Agenturbranche einsetzen konnte, wie er sagt.
